Tage Alter Musik – Programmheft 2020

70 T age a LTeR M uSIK R egenSBuRg Konzert 14 Der rote Faden in diesem Pro- gramm ist die geschichte von Trancredi und Clorinda, eine der bewegensten geschichten aus La gerusalemme liberata. Sie findet sich in dem Mecmua von ali ufki und wurde 1624 von Claudio Mon- teverdi in dem berühmten Com- battimento di Tancredi e Clorinda musikalisch umgesetzt. erzählt wird die geschichte des christ- lichen Ritters Tancredi, der in die muslimische Kämpferin Clorinda verliebt ist. In einem nächtlichen Kampf verwundet er seine geliebte tödlich, da er sie in ihrer Rüstung nicht erkennt. eine geschichte, in der die gegensätze zugespitzt sind, in der die Liebe die religiösen grenzen überwindet und der Krieg als trennende Macht dargestellt ist. Vor allem aber die entscheidende Fähigkeit, sein gegenüber wirklich zu sehen und zu erkennen, ist ein Schlüsselthema dieses epos. Das Combattimento, aufgeteilt in drei abschnitte, ist verwoben mit instrumentalen türkischen Peşrev, arien von Claudio Saracini und Barbara Strozzi, einem Sufi-gesang, in demMurat III. zum gebet ruft, und traditionellen Tarantellen aus Süditalien. unterschiedliche genres und Tra- ditionen treffen in diesem Programm zusammen und sind in einzelnen Stü- cken sogar miteinander kombiniert. Der „Semai efrenci“, übersetzt auch „Sema’i im französischen oder europäischen Stil“ zum Beispiel, ist ein Instru- mentalstück, das einen europäischen Tanz, nämlich eine gigue, imitiert, während es gleichzeitig traditionelle osmanische elemente enthält: das erste Beispiel für die osmanische Rezeption europäischer Musikkultur. orientalischer und westeuropäischer Stil mischen sich wunderschön, wenn die Verse des persischen gedichts „ey Sareban“ sich mit dem italienischen Lied „Fronni d’alia“ abwechseln. ey Sareban ist ein feines, sehr anspruchs- volles gedicht in Farsi von dem großen persischen Dichter Sa’adi (1208- 1291), das die Leiden eines Liebenden beschreibt, dessen geliebte mit einer Karawane abreist. Fronni d’alia ist ein volkstümliches Lied in dem länd- lichen Dialekt der Basilikata (Süditalien) über das Mädchen Fronni d’alia („olivenblätter“), die gegen ihren Willen verheiratet wird, aber verspricht, in ihrer Hochzeitsnacht fortzulaufen, um sich mit ihrer wahren Liebe zu vereinen. Italien und Persien, Hochkultur und Volkslied sind hier verbun- den, um zu zeigen, wie in beiden Werken die Themen von Trennung und der Sehnsucht der Liebenden die Inspirationsquelle sind. Das kampanische Volkslied „all’arme, all’arme“ erinnert an den türki- schen angriff auf Sorrento 1558, bei dem die Stadt geplündert wurde und die meisten Bewohner als Sklaven nach Konstantinopel verschifft wurden – ein Schicksal, das ali ufki einige Jahrzehnte später selbst erleiden sollte. obwohl dieses Lied am ende steht, kann es auch als anfang gesehen werden. unter den Wenigen, die demangriff auf Sorrento entkamen, war auch Cor- nelia Tasso, die Schwester von Torquato Tasso. Ihre erlebnisse beeindruckten ihren Bruder dermaßen, dass es ihn zur niederschrift von “Das befreite Jeru- salem” inspirierte, das wiederum seinen Weg inali ufkis Mecmua fand, wo es mit den Melodien des osmanischen Hofes verwoben wurde... © Marjolein Van Zuylen Übersetzung: Monika Rebuschat ! Das Ensemble Accordone mit Marco Beasley 2008 in der St.-Oswald-Kirche

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