Tage Alter Musik – Almanach 2024

Es gibt Dinge, die kann man kaum beschreiben, aber besonders intensiv erleben. Zum Beispiel die Stille nach dem Verklingen, wie sie sich ausbreitet in der erhabenen Weite einer mittelalterlichen Kirche. Es mag paradox erscheinen, gerade die Stille zu loben, wenn es um Klang geht, und zwar um den Klang herrlichster Musik. Doch es war die Stille danach, die die erhabensten Momente des Konzertes besonders abrundete und in anrührender Weise würdigte. Dann brach Applaus los, ja, es gab stehende Ovationen der vielen hundert Menschen, die zuhören durften. Und das war mehr als verdient, denn selten erlebt man eine so intensive Stunde so guter Musik wie an diesem Freitag vor Pfingsten in der Dominikanerkirche zu Regensburg! Kurz vor Mitternacht öffneten zwei Ensembles den Himmel, dem man sich unter der hohen Decke der Dominikanerkirche sowieso schon nah fühlt. Bisher völlig unbekannt Das Marian Consort und das Illyria Consort aus Großbritannien unter der Leitung von Rory McCleery und Bojan Čičić präsentierten „Eine Reise entlang der Adria“ in Form von Vokal- und Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts. Es erklang – nein nicht Musik von Monteverdi und auch nicht von Palestrina, Praetorius oder Schütz – sondern Musik von Vinzenz Jelich alias Inko Jelic (1596 bis ca. 1635), Giulio Schiavetto alias Julije Skjavetić (um 1562) oder Ioannes Lukachich de Sebenico alias Ivan Lukaçić (1587 bis 1648). Alles Zeitgenossen der vorgenannten großen Namen aber bisher völlig unbekannt. Und die unterschiedlich überlieferten Namensversionen legen Zeugnis davon ab, dass man es damals, um 1600, mit Sprach- und sonstigen Grenzen nicht so genau nahm (was sich leider mit dem Aufkommen des Nationalismus im 19. Jahrhunderts und erst recht mit den beiden Weltkriegen änderte mit, wie wir wissen, bis heute leidvollen Konsequenzen). Diese imwahrsten Sinne europäische Musik verzauberte die Hundertschaften in Regensburg zu später Stunde, was zum einen den wunderbaren Klängen der vier Sänger plus Sängerin und dem überragenden Instrumentalensemble zu verdanken war, aber gleichzeitig auch dem Raum: Es ist schwer zu beschreiben, was so ein hoher gotischer Kirchenbau wie die Dominikanerkirche, in der zum Glück nach langjähriger Renovierungspause in diesem Jahr wieder Konzerte stattfinden konnten, zum Erleben beiträgt. Er hat die geheime Kraft, Klänge so zu veredeln, dass zum musikalischen Genuss auch der spirituelle kommt, jedenfalls für alle, die sich auf diesem Gebiet für musikalisch erachten möchten. Konzerte wie die magische Nacht mit der Adriareise sind die eine Spezialität der Tage Alter Musik. Hier wird selbst eingefleischten, ja exzentrischen Liebhabern ziemlich unbekanntes Repertoire präsentiert und damit das „alt“ in Alte Musik ad absurdum geführt, eben weil es immer wieder so viele neue Tage Alter Musik Regensburg 2024 60 Wenn die Donau bebt // Autor: Reinhard Mawick Kurz vor dem Jubiläum: Die Tage Alter Musik in Regensburg Für alle, die Alte Musik lieben, ist das einzigartige Festival in Regensburg ein Muss. Auch in diesem Jahr konnte man wieder Außergewöhnliches erleben, bewährt gepaart mit absoluter Bodenständigkeit. Eindrücke von den 39. Tagen Alter Musik in Deutschlands Pfingstklangmekka Théotime Langlois de Swarte und Les Ombres in der Basilika St. Emmeram

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