Tage Alter Musik Regensburg 2024 56 Die dem Heiligen Emmeram gewidmete Kirche in Regensburg ist 1200 Jahre alt, wurde aber von demArchitektenbrüderpaar Asam in Prachtbarock innen ausgestattet. Über dem Altar hängt erstaunlicherweise eine Uhr. Damit die Kirchenbesucher rechtzeitig von der Messe in eines der zahllosen Wirtshäuser der Stadt wechseln können? Oder damit die Besucher der vor 40 Jahren erstmals ausgerichteten Tage Alter Musik rechtzeitig ins nächste Konzert laufen können? Schließlich sind an den Pfingsttagen wie immer 16 Konzerte programmiert, das erste beginnt um elf Uhr früh, das letzte endet um Mitternacht. Wohl dem Besucher, der in den kurzen Pausen überhaupt ein Restaurant findet, der Tourismus hat die Mittelalterstadt fest im Griff. Zwei Drittel der Konzerte waren schon im Vorfeld ausverkauft Doch beim Auftritt des Geigen-Shootingstars Théotime Langlois de Swarte in St. Emmeram ist die Uhr schnell vergessen. Denn der Mann, ganz Dämon und Hexenmeister, reanimiert Konzerte von Jean-Marie Leclair und Antonio Vivaldi derart aufregend plastisch, dass das Publikum schnell glaubt, live im 18. Jahrhundert bei Vivaldis Showauftritten dabei zu sein. Théotimes Geige lockt, stöhnt, triumphiert, gründelt, tobt, das Ensemble „Les Ombres“, dem Théotime vor seiner gerade einsetzenden Großkarriere angehörte, tut es ihm lustvoll nach. Apropos Publikum: Der begeistert bescheidene Ludwig Hartmann, einer der Festivalgründer, einst Regensburger Domspatz und Gymnasialmusiklehrer, erzählt, dass jetzt erstmals seit der Seuche die Menschen wieder in Scharen kämen wie zuvor, zwei Drittel der Konzerte waren schon im Vorfeld ausverkauft. Schließlich kann in Regensburg in kürzester Zeit alles bestaunt werden, was der Alte-Musik-Markt imMoment an Novitäten bietet. Das ist nicht wenig, die Szene lebendig, jung, neugierig, frech, das Publikum dankbar, konzentriert, neugierig. Bei keinem anderen Festival, das macht seinen singulären Rang aus, erleben die Hörer, wie lebendig live und begeisternd alte Musik noch immer ist. Das Programm beginnt imMittelalter, geht über die rekonstruierte „Scaramella“-Renaissancemesse von Jacob Obrecht bis zu Ludwig van Beethoven. Dessen c-Moll- und G-Dur-Konzert deutet der zu Höhenflügen aufgelegte Hammerklavierspieler Tomasz Ritter mit Virtuosität und Silberklangtonrauschen, zusammen mit der von Michael Alexander Willens angeleiteten Kölner Akademie. Hier ist Beethoven kein Titan, sondern ein Zaubermeister, der Poesie, Höllenqualen, Maßlosigkeit, Umstürzlertum und Zukunftsästhetik in eins setzt. Théotime Langlois und Tomasz Ritter stehen für die Fantasie und ungebrochene Strahlkraft der Szene. Kurz vor Beginn der Konzerte kommt oft Stephan Schmid, der Eine Szene mit Strahlkraft Das Publikum der Alten Musik ist jung und neugierig. Beim Festival in Regensburg erlebt man, wie begeisternd diese Musik heute noch immer sein kann. 22. Mai 2024 // Autor: Reinhard Brembeck Geiger Théotime Langlois de Swarte bei seinem Auftritt in St. Emmeram
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