eine Besucherin, eine andere studierte fachkundig die Barockbögen. Differenzierte Fragen und freundliche Beratung kennzeichneten die Schau. Nirgendwo sonst finden Freunde und Experten des Originalklangs eine derart breite Auswahl an Instrumenten und Zubehör. Einladungen zu Workshops und Fachbücher ergänzten die Stände. Die Aussteller waren aus ganz Europa angereist und hatten in den Tagen vor dem Festival bereits ihre Stände aufgebaut. Das Interesse an der begleitenden Ausstellung war am gesamten Pfingstwochenende groß. Zahlreiche Musikinteressierte nutzen die Pausen zwischen den insgesamt 16 Konzerten und besuchten die Instrumentenausstellung und den Infopunkt. Dort liefen die Fäden des Musikfestivals zusammen, Besucher mit kurzfristigen Kartenwünschen trafen dort ebenso ein wie kurzfristig angereiste Musiker. Der Brücksaal im ersten Stock des historischen Salzstadels bot dabei erneut den idealen Rahmen. Er war nicht nur zentral gelegen und für alle Besucher gut erreichbar, sondern passte auch sonst in die Musikepoche. Erbaut im frühen 17. Jahrhundert stammt der Salzstadel aus einer Zeit, in der viele Konzerte aus dem Bereich der „Alten“ Musik komponiert wurden. Neben dem Stammpublikum, das teils seit vielen Jahren anreist, interessierten sich in diesem Jahr auch sehr viele junge Musiker für die Instrumentenausstellung. Rückt die „Alte Musik” in den Fokus, stellt sich immer wieder die Frage, bis zu welchem musikgeschichtlichen Zeitraum diese Bezeichnung verwendet werden darf. Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts galt oft die Mitte des 18. Jahrhunderts und damit das Ende des musikalischen Barocks als Grenze. Da Johann Sebastian Bach als eine prägende Figur des Barock 1750 starb, wurde dies allgemein als Wendepunkt und als Ende der „AltenMusik” angesehen. In den letzten drei Jahrzehnten setzte sich aber immer mehr die Auffassung durch, dass zumindest die Wiener Klassik mit Mozart, Haydn und Beethoven, aber eventuell auch noch die Romantik des 19. Jahrhunderts als „Alte Musik” bezeichnet werden kann, was in Bezug auf die Wiener Klassik eindeutig zu begrüßen ist. Und gerade weil die Verantwortlichen der Regensburger Tage Alter Musik in diesem Jahr auch wieder über diese Grenze hinausgeblickt haben, erlebte man nun am Pfingstsonntag in der voll besetzten Dreieinigkeitskirche ein herausragendes Klangerlebnis aus der Wiener Klassik, das einiges an historischer Aufführungspraxis zu bieten hatte. So interpretierte das Orchester „Kölner Akademie” zusammen mit dem jungen polnischen Pianisten Tomasz Ritter Ludwig van Beethovens drittes und viertes Klavierkonzert auf historischen Instrumenten inklusive eines detailgetreuen Nachbaus eines Hammerflügels aus dem Jahr 1819. Da die historischen Hammerflügel im Vergleich zu den heutigen über keinen Metallrahmen verfügen, weniger Saitenspannung aufweisen und auch kleiner und leiser sind, war das in der großräumigen Kirche ein mutiges Unterfangen. Aber es hat sich gelohnt. Denn schließlich wurde dem Publikum hier beeindruckend demonstriert, wie diese Kompositionen zu ihrer Zeit geklungen haben könnten. Dieser reine Beethoven-Abend imponierte aber zudem, weil sowohl das Orchester unter der Leitung von Dirigent Michael Alexander Willens als auch der Pianist Tomasz Ritter ein unglaublich filigranes Gespür für die historischen Instrumente und für die Werke an den Tag legten. Das deutete bereits die vom Orchester allein interpretierte „PrometheusOuvertüre“ an, in welcher die Ausführenden die Spannungsbögen und Dynamik-Verästelungen beeindruckend ausloteten. In den beiden Klavierkonzerten brillierte Tomasz Ritter durch eine innige Kommunikation mit dem Orchester und einen selbstbewusst eigenständigen Interpretationsansatz, welcher die Raffinessen der Partitur wunderbar herausstellte. So zelebrierte er beispielsweise in der Solokadenz im Kopfsatz des Klavierkonzerts Nr. 3 regelrecht die Spannung durch eine packend rubatierende Herangehensweise, in welcher er auch der spannungsgeladenen Stille zwischen den Tönen Raum zur Entfaltung gab. Somit waren die stehenden Ovationen und Ritters daraus resultierende kleine Zugabe in Form einer Liszt-Transkription eines Schubert-Liedes in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Tage Alter Musik Regensburg 2024 51 Das Zelebrieren der Spannung auf einem Hammerflügel Das Orchester „Kölner Akademie“ und der Pianist Tomasz Ritter werden bei den Regensburger Tagen Alter Musik mit stehendem Beifall gefeiert Autor: Stefan Rimek // 22. Mai 2024 Thomasz Ritter (Hammerflügel) und die Kölner Akademie, Leitung: Michael Alexander Willens
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