Tage Alter Musik Regensburg 2024 41 „Frühe Moderne“: So übertitelte die Gruppe Quicksilver ihre Matinee im Reichssaal am Pfingstmontag mit Sonaten-Kompositionen des 17. Jahrhunderts, und das, was die Musikgeschichte betrifft, mit einigem Recht: War doch die „Frühe Moderne“ jene Epoche, in der nicht nur die Oper entstand, sondern auch die Instrumentalmusik sich von der vokalen emanzipierte. „Sonate“: Das war damals noch kein verfestigtes Formkonzept, sondern imWortsinn „Klangstück“, ein Experimentierfeld; mit oft unvermittelt wechselnden Tempi und Charakteren, angelehnt an die Affektsprache des gleichzeitigen Musiktheaters. Die Lust am klanglichen Experiment prägt entsprechend auch den Auftritt des nordamerikanischen Ensembles „Quicksilver“ bei seinem Europa-Debüt im Rahmen der Tage Alter Musik. Recht monochrom wirkt vorab auf dem Papier die Programmfolge mit Werken italienischer und deutscher, vielfach am Wiener Hof tätiger Komponisten. Doch mit quicklebendigem Musizieren, wie es der Name der Gruppe verheißt, lässt Quicksilver keine Minute Langeweile entstehen. Für Abwechslung sorgen zudem die verschiedenen Instrumentenkombinationen, zu denen sich die sieben Ensemblemitglieder immer wieder neu formieren. Besonders reizvoll empfindet man es, wenn zu den Stimmen der beiden Violinen, der Viola da gamba und der mit Laute und Cembalo oder Orgel besetzten Continuo-Gruppe die Bläser hinzutreten: Dulzian und Posaune. Virtuosen auf ihren Instrumenten sind alle Mitglieder von Quicksilver, aber auch Künstler, die perfekt miteinander agieren, was bei den häufigen Tempo- und Rhythmuswechseln innerhalb der einzelnen Stücke gar nicht so einfach ist. Fast ist man erleichtert, wenn bei so viel ans Übermenschliche grenzender Präzision ausgerechnet beim Schlussakkord der zuletzt erklingenden „Sonata a 5“ von Johann Rosenmüller die Stimmen einmal minimal auseinanderklaffen. Angenehme Temperaturen herrschen im Reichssaal, bei freilich zuletzt etwas stickiger Luft. Da bietet der Wechsel zum 14-UhrTermin in der Museumskirche St. Ulrich einen Kälteschock: gut, wenn man mit Jacke ausgerüstet ist. Das Konzert am Montagnachmittag konzentriert sich inhaltlich ganz auf einen einzigen Komponisten des 16. Jahrhunderts: den im spanischen Valladolid beheimateten Estevan Daça, einen späten Vertreter des Spiels auf der zunehmend von der Gitarre verdrängten Vihuela. Auszüge aus dessen 1576 veröffentlichter Sammlung „El parnasso“ präsentieren Ariel Abramovich (Vihuela) und die Sopranistin Perrine Devillers dem andächtig lauschenden Publikum. Ja: Aufmerksames Lauschen ist angesagt, wenn die Vihuela allein mit ihren filigranen Tönen erklingt, für welche die Ulrichskirche einen der Größe nach gerade noch möglichen Rahmen bildet. Fingerfertig weiß Ariel Abramovich bei drei Fantasien Daças auf seinem Instrument den Eindruck mehrstimmiger Polyphonie zu erwecken, die meisten Programmnummern sind jedoch keine Originalkompositionen, sondern Bearbeitungen von Vokalmusik fremder Hand, hier in der Kombination von Vihuela und Sopranstimme ausgeführt. Da ist viel von Liebesüberschwang, vor allem aber von Liebeskummer die Rede, von Enttäuschung und trotzigem Rückzug in die Einsamkeit. Perrine Devillers und Ariel Abramovich gestalten dies alles weniger aufbegehrend als voll edler Klage und sanfter Melancholie. Berückend, wie die Sopranistin dabei ihre Stimme biegsam zu modulieren weiß, die Töne sanft ansetzt, auf einemVokal verweilend aufstrahlen und dann wie resignierend wieder verebben lässt: Das ist zum Herzerweichen. Zum Herzerweichen Ein Duo rührt mit filigranen Klängen und Quicksilver lässt keine Minute Langeweile zu Autor: Gerhard Dietel // 22. Mai 2024 Die Sopranistin Perrine Devillers und Ariel Abramovich an der Vihuela de mano begeisterten in der ehemaligen Dompfarrkirche St. Ulrich Quicksilver im Reichssaal
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