Tage Alter Musik – Almanach 2024

Tage Alter Musik Regensburg 2024 38 Ein ganz besonderes Klangbild bot sich den Zuhörern am Sonntagabend in der Dreieinigkeitskirche. Klavierklang in einer Kirche, das allein ist schon ungewöhnlich. Und dann die Kombination eines Originalklang-Orchesters, der Kölner Akademie, mit einem Hammerflügel, gespielt vom polnischen Pianisten Tomasz Ritter, die zwei Beethoven Klavierkonzerte interpretieren, Nr. 3 (1800) und Nr. 4 (1805). Durchsichtig klingt das alles, trotzdem oder gerade deshalb mit ungeheuren Steigerungen versehen. Das Klavier elegant und duftig, mit geräuschhaften Läufen, jede Struktur dennoch klar hörbar gemacht, die hohen Streicher eingesetzt fast nur als Farbe. Die Akzente liegen bei den Bläsern mit scharfen Akkorden. Das Orchester nutzt historische Sitzordnungen, die Kontrabässe verteilt links und rechts hinten, die Celli neben den ersten Violinen, das Klavier dazwischen, ohne Schalldeckel. 1803 führte Beethoven selbst dieses Konzert erstmals auf: Es gibt die Tradition des Virtuosenkonzerts auf zugunsten einer Gestaltung, die aufs gegensätzliche Durchdringen von Orchester und Solopart setzt. Zeitgenossen schrieben, er komponiere für das Klavier der Zukunft: die zeitgenössischen Klaviere würden seinen Intentionen kaum gerecht. Melancholisch in die Nacht Tomasz Ritter hatte denn auch einen Klaviernachbau der Firma Paul McNulty aus dem Jahr 1819 ausgewählt, mit sechseinhalb Oktaven und einem „una corda“ Pedal. Ritter zauberte aus diesemHammerflügel silberhellen Glanz in der Kadenz, agierte blitzsauber und führte höchst subtil zur Coda und zur Schlusssteigerung hin. Sehr agogisch nahm er den Anfang des zweiten Satzes, mit vielen Arpeggien. Elegante Eingänge im Klavier korrespondierten dann im dritten Satz mit zauberhaften Klarinettensoli. Im vierten Klavierkonzert setzte man auf bombastische Schlusswirkungen, auf klare Linien und höchste Eleganz. Es faszinierte eine Spur weniger als dass Dritte Konzert, vielleicht, weil diese besondere Klangzusammenstellung nicht mehr so unerwartet war wie zu Beginn des Konzerts. Vorangegangen war Beethovens Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ op. 43, eröffnet mit sehr trockenen Staccato-Akkorden, duftigen Tonleitern im Allegro und sehr deutlichen Synkopen. Die Akzente setzten auch hier die fantastischen Bläser. Das Publikum erklatschte sich noch eine Zugabe des Pianisten, der es mit einer Liszt-Bearbeitung des Schubertliedes „Der Doppelgänger“ ein wenig melancholisch in den Abend hinausschickte. Das Nachtkonzert im Reichssaal widmete sich der geliebten Nacht – Cara Notte – und der Musik des Palermitaners Alessandro Scarlatti und Georg Friedrich Händels. Zwei „Serenata“ genannte Folgen von je 13 und neun Arien und Rezitativen für Sopran Solo und zwei Violinen spielten Arsenale Sonoro aus Italien unter Leitung des russischen Geigers Boris Begelman und führten damit in die trügerisch heile pastorale Welt der Schäfer und Nymphen ein. Die Sopranistin Francesca Aspromonte packte die nächtlichen Stücke temperamentvoll an, sehr direkt, manchmal doch auch zu wenig subtil. Flexibilität und Sanftheit waren ihre Sache nicht. Nur eine Arie war zum Gänsehaut-Kriegen: „Komm, geliebte Nacht, und gewähre dieser gemarterten Brust eine Ruhepause.“ Hier Klavierspiel, elegant und duftig Violinvirtuosen Venedigs, Beethovens Werke und die „geliebte Nacht“ Autorin: Claudia Böckel // 21. Mai 2024 Tomasz Ritter saß beim Konzert der Kölner Akademie in der Dreieinigkeitskirche am Hammerflügel. Dirigent Michael Alexander Willens hielt seine Musiker immer wieder dazu an, keine Angst vor leisesten Tönen zu haben, ging oft in die Knie, um das zu visualisieren.

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