Tage Alter Musik – Almanach 2024

Zu Pfingsten führte mich mein Weg wieder nach Regensburg zu den Tagen Alter Musik. Das renommierte Festival, das 1984 seinen Anfang nahm, fand in diesem Jahr zum 39. Mal statt. Musikerinnen und Musiker aus Europa und den USA kamen an die Donau, um einem stets interessierten Publikum Werke vomMittelalter bis Beethoven zu präsentieren. Die Regensburger Domspatzen eröffneten zusammen mit demBarockorchester Musica Florea aus Prag das Festival mit klangprächtiger geistlicher Musik von Jan Dismas Zelenka und Antonio Vivaldi. Carine Tinney (Sopran) und Julia Dendl (Mezzosopran) zeichneten für die Solopartien verantwortlich. Zelenka genoss zu Lebzeiten einen durchaus beachtlichen Ruf, geriet in der Folgezeit aber quasi in Vergessenheit. Seit einigen Jahren erlebt seinWerk zu Recht eine Renaissance, wie man am Freitagabend in der Dreieinigkeitskirche am Beispiel des Magnificats C-Dur und der Simphonie à 8 concertanti hören konnte. Mit „Laudate Dominum omnes gentes“, von Antonio Vivaldi für Chor, Streicher und Basso continuo komponiert, ging es in die Pause. Im zweiten Teil folgten Vivaldis doppelchöriges Kyrie g-Moll und das bekannte Gloria D-Dur. In dem durchweg überzeugenden Konzert ließen insbesondere die Domspatzen unter der Leitung von Christian Heiß mit einem trotz der großen Sängerschar differenzierten, transparenten Chorklang aufhorchen. Beachtlich, wie die jungen Sänger jedenMelodie- und Spannungsbogen überzeugend ausgestalteten. Die Handschrift des seit fünf Jahren als Domkapellmeister tätigen Heiß ist trotz der schwierigen Corona-Jahre deutlich hörbar. Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein. Lange Zeit war die Dominikanerkirche St. Blasius für das Publikum nicht zugänglich. Das letzte Konzert der Tage Alter Musik fand dort zu Pfingsten 2016 statt. Nach umfangreichen Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten stand der imposante Sakralbau nun wieder zur Verfügung, so auch im Nachtkonzert am Freitag. Auf dem Programm stand eine „Reise entlang der Adria“ mit frühbarocker Musik eher unbekannter italienischer und kroatischer Komponisten, wie Francesco und Gabriele Usper, Gabriello Pulitti, Giulio Schiavetti (Julije Skjavetić) oder Tomaso Cecchino. Die stilistische Prägung durch Italien, insbesondere Venedig, war den wunderbaren geistlichen Konzerten und Instrumentalwerken deutlich anzuhören. In der bekannt hohen stimmlichen Qualität britischer Vokalensembles sang das Marian Consort mit Alexandra Kidgell (Sopran), Rory McCleery (Countertenor und Leitung), David De Winter und Will Wright (Tenor) sowie Christopher Webb (Bass). Das Illyrian Consort mit seinem Leiter Bojan Čičić (Violine), mit Jamie Savan (Zink), Toby Carr (Theorbe) und Steven Devine (Orgel, Cembalo) war den Sängern ein ebenbürtiger Partner. In stets wechselnden Besetzungen ließen die beiden Ensembles die meditative Musik geradezu schwerelos in den großen, akustisch allerdings nicht unproblematischen Kirchenraum aufsteigen. Da verging die nächtliche Stunde wie im Fluge. Wie in den Jahren zuvor, gelang es mir auch dieses Mal nicht, alle 16 Konzerte des Festivals zu besuchen. Die Kondition und Konzentration des Rezensenten haben Grenzen... So fand ich mich erst am Samstagnachmittag zu einemKonzert in der Basilika St. Emmeram ein. Das französische Barockorchester Les Ombres spielte Violinkonzerte von Jean-Marie Leclair und Antonio Vivaldi. Solist war der junge französische Geiger Théotime Langlois de Swarte. Noch keine dreißig Jahre alt, überzeugte er mit einer stupenden Souveränität, einer brillanten Virtuosität und zugleich mit einer ausgeprägten Fähigkeit, sein Instrument auch in den langsamen Sätzen facettenreich „sprechen“ zu lassen. Der zweite, von Trauer erfüllte Satz in Vivaldis h-Moll-Konzert RV 384 wurde zu einem melancholischen Zwiegespräch zwischen Solovioline und Cello (Hanna Salzenstein). Das hochvirtuose, geradezu orchestral klangvolle Konzert a-Moll von Leclaire endete hingegen in einem geigerischen Feuerwerk. Les Ombres setzte mit der Sinfonia C-Dur RV 111a und der Sinfonia zur Oper „L’Olimiade“ von Vivaldi sowie mit Leclaires Ouvertüre zu „Scylla et Glaucus“ eigene Akzente. Das Konzert endete nach dem Violinkonzert C-Dur RV 725, das Vivaldi einst für seine Meisterschülerin „Sigra Anna Maria“ komponierte, im anschließenden Beifallssturm des Publikums. Tage Alter Musik Regensburg 2024 26 www.gelsenkirchen-barock.de Frischer Wind an der Donau Tage Alter Musik in Regensburg // 17. bis 20. Mai 2024 // Autor: Ingo Negwer The Marian Consort und The Illyria Consort beim Nachtkonzert in der Dominikanerkirche

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