Tage Alter Musik – Almanach 2018

Süddeutsche Zeitung 69 Der Bayerische Rundfunk ist immer dabei Warten auf das Konzert mit Hana Blažíková rückt entweicht die Polyphonie und Gregori- anik aus den sechs Frauen und vier Männern unter der Leitung von Nigel Short. Einem ganz anderen Zauber erliegt man am Sonntag in der Minoritenkirche, wo die französische Formation „La Camera delle Lacrime“ den Pilgerstrom des späten Mittel- alters in das katalanische Kloster Montserrat halbszenisch nachzeichnet. Eine Vermen- gung von Psalmenversen, Chorälen sowie profanenWechselgesängen und Refrains bil- det die Grundlage einer seltsamenMischung mystischer Klänge und religiöser Inbrunst, die nicht selten osmanisch anmutet. Der Frontmann und Leiter Bruno Bonhoure zieht als exaltierter Sänger und Percussionist alle Aufmerksamkeit auf sich, animiert das Publikum zumMitsingen und Tanzen. „Vox Luminis“ war vor wenigen Jahren schon ein- mal zu Gast, begeisterte damals mit den mu- sikalischen Exequien von Heinrich Schütz. Die Motetten von Johann Sebastian Bach ge- lingen den Sängern aus Belgien in der Em- meramskirche technisch überlegen, enttäu- schen aber mit einer gehetzten, dynamisch kaum differenzierten Herangehensweise, die der vielschichtigen Motettenkunst Bachs kaum gerecht wird. Wenn der Begriff der Jam-Session in Bezug auf die alte Musik erlaubt ist, dann ist genau das im Leeren Beutel mit den Barokksolis- tene aus Norwegen zu erleben. Nicht die his- torische Aufführungspraxis ist das Ziel, son- dern eine überdrehte Party mit der Musik von Henry Purcell. Angeführt vom Geiger Bjarte Eike improvisiert und mixt man Pur- cells Musik mit Anleihen aus der Folkmusik, garniert mit Elementen des Straßentheaters jener Zeit. Mit der prachtvollen Musik von Jan Dismas Zelenka beeindruckte das Ensemble Inégal und die Prague Baroque Soloists in einer wohltuend großen Besetzung und setzen un- ter großem Beifall den Schlusspunkt am Montagabend.

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