Tage Alter Musik – Almanach 2018

Mittelbayerische Zeitung 54 Florenz um 1350 - die Stadt am Fluss Arno steht in der Blüte, der toskanische Dialekt wird zur eigenen Kunstsprache. Musik und Poesie finden zu einer einmaligen Virtuo- sität zusammen, die für den Stil der italieni- schen Ars Nova prägend wird. Die Sinnlich- keit der Musik aus dem spätmittelalterlichen Florenz zieht die Besucher in der Minoriten- kirche in ihren Bann, nur ein kleines Instru- mentarium braucht es als Grundlage für die drei Sänger, um eine hauchdünne, zerbrech- lich wirkende Harmonisierung unter den vokalen Zierrat zu legen. Selbstbewusst wird anfangs die siegreiche Stadt besungen, die in der Schlacht Pisa bezwungen hat. Wenig trennt Liebespoesie und Marienverehrung in der Art der Komposition, alles geschieht in einer gedämpften, noblen Zurückhaltung, das sind alles keine Gassenhauer, die das Sol- lazzo Ensemble präsentiert. Die Faszination dieser Klangwelt zeigt sich in der Miniatur, ob in dreistimmigenMadrigalen oder in rein instrumentalen Stücken. Die Fideln spielen meist ein ständiges, leicht variierendes Bor- dun in Quinten, legen sich als Klangteppich unter die Einwürfe des Salterio oder Orga- netto, erzeugen dadurch eine durchgehend meditative Stimmung, überhöht durch die Akustik des Kirchenschiffs. Virtuos der Ab- schluss mit einer launigen Caccia zwischen den drei Singstimmen, die sich mit viel Spaß durch den Kanon einer Jagdszene treiben. Die Zuhörer sind von so viel Anmut und Kunstfertigkeit restlos begeistert. (mqv) Anmutige Musik aus dem alten Florenz „Jede Begegnung mit Zelenkas Musik ver- spricht ein Erlebnis der besonderen Art.“ Wolfgang Horn hat mit seinem Beitrag für diese Zeitung imVorfeld der Tage Alter Mu- sik Recht behalten. Das Abschlusskonzert des Ensemble Inégal und der Prague Baro- que Soloists in der Dreieinigkeitskirche war ein überwältigender Beweis für die Origina- lität und kompositorische Meisterschaft die- ses Bach-Zeitgenossen. Man kam aus dem Staunen nicht heraus, mit welchem Einfalls- reichtum Jan Dismas Zelenka die Texte der Vesperpsalmen, von denen das Programm eine Auswahl präsentierte, zum Klingen bringt. Da unterbricht (im „Beatus vir“) plötzlich ein zwischen Erregung und stau- nender Ehrfurcht changierender Chorab- schnitt die rastlose Verzahnung von Alt-Solo und Chor oder ein permanent wiederholtes Motiv sorgt ein komplettes Stück lang („Nisi Dominus“) für einen durchlaufenden, fast groovenden Puls. Gekrönt werden die Psalmen jeweils von „Amen“-Rufen, die vielgestaltiger kaum sein könnten. So endet das „In exitu“ mit einer aberwitzigen Fuge, deren Thema mehr nach Max Reger als nach 18. Jahrhun- dert klingt. All das war bei den tschechischen Musikern in besten Händen: Der knapp 20-köpfige Chor glänzte, ebenso wie die Solisten, mit elastischer Klangfülle und virtuoser Geläu- figkeit, wobei Dirigent Adam Viktora die bisweilen sportive Gangart mit zackigen Be- wegungen am Laufen hielt. Riesenjubel für diesen denkwürdigen Ohrenöffner. (mko) Denkwürdiger Ohrenöffner von Jan Dismas Zelenka Sollazzo Ensemble in der Minoritenkirche Ensemble Inégal, Leitung, Adam Viktora

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