Tage Alter Musik – Almanach 2018
Mittelbayerische Zeitung 48 Die Schweizer Gruppe Les Passions de l’ame um die Barockgeigerinnen Meret Lüthi und Sabine Stoffer widmete sich Heinrich Ignaz Franz Biber und seiner Sammlung „Harmo- nia Artificiosa Ariosa“. Biber schließt hier sein instrumentales Le- benswerk ab und stellt die Violine in den Mittelpunkt, für die er als Geiger optimal zu schreiben versteht. Vier der sieben Partiten für zwei Streichinstrumente und Bass ka- men zur Aufführung, in der Triosonaten- Besetzung mit zwei Violinen und Basso continuo. Biber macht ausgiebig Gebrauch von der Skordatur, also vom Umstimmen der Violinsaiten. Das Adverb „artificioso“ im Titel, das Künstliche, bezieht sich auf die kontrapunktischen Techniken, die Zierpas- sagen und die häufige Verwendung von Doppelgriffen. Die improvisatorischen Er- öffnungs- und Schlusssätze, aber auch die Chaconnen oder Passacaglien bestachen durch gekonnte Virtuosität. Die Geigerin- nen stellten sich den Herausforderungen der Skordatur, indem sie auf vier verschiedenen Geigenpärchen spielten. Eine Mitsing-Cha- conne als Zugabe begeisterte zusätzlich. (moe) Violinen im Mittelpunkt Les Passions de l'Ame im Reichssaal Als Zuhörer musste man sich in die Welt des späten Mittelalters erst einfinden, in die Mu- sik der Pilger, die zur Marienverehrung in das katalonische Kloster Monserrat strömten. Die Vermengung von Psalmenversen und Chorä- len mit profanen Wechselgesängen, Tanzlie- dern und eingängigen Refrains bildete die Grundlage eines ungewöhnlichen Konzerts der französischen Formation La Camera delle Lacrime. Allen voran Bruno Bonhoure, der als exaltierter Solist, Percussionist und künst- lerischer Leiter die teils halbszenisch insze- nierte Darbietung fest imGriff hatte, alle Au- gen auf sich zog und das Publikum animierte, durch rhythmisches Klatschen undMitsingen selber zum Pilger zu werden. Eine seltsame Mischung mystischer Klänge und religiöser Inbrunst, deren Melodien nicht selten osma- nisch anmuteten. Über den Verlauf entwi- ckelte sich eine seltsame Magie, der man sich nach anfänglicher Skepsis nicht entziehen konnte. Und fast könnte man bei all den freu- digen und kunstvollen Gesängen den Ein- druck gewinnen, dass das Mittelalter doch nicht so finster war. (mqv) Bruno Bonhoure und La Camera delle Lacrime in der Minoritenkirche Exaltierte Pilgerfreude
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