Tage Alter Musik – Almanach 2018

lich ergab sich wieder einmal, dass eben Namen wie Giovanni Gabrieli und vor al- lem Claudio Monteverdi nicht von unge- fähr diejenigen eines Giovanni Rovetta oder Alessandro Grandi überlebt haben. Die gute, aber selten mitreißende Darbie- tung des Vokalsextetts konnte aus den schwächeren Werken nicht durchweg Fun- ken schlagen. Auch der etwas anämische Zusammenklang mit der von Posaunen und dem hervorragend geblasenen Zink des Leiters Lambert Colson geprägten In- strumentalgruppe trug nicht dazu bei, ei- nen wirklich zwingenden Bogen über das um ein, zwei Nummern zu lange Pro- gramm zu spannen. Höhepunkte ergaben sich aber immer wieder durch die Qualität der Werke Monteverdis und feine solisti- sche Leistungen, etwa bei den Sopranen in- klusive Echowirkung in dessen Salve Re- gina (Alice Foccroulle, Perinne Devilliers) oder im Bass-Solo „Ab aeterno ordinata sum“ (Joachim Höchbauer). Reinheit der zehn Stimmen „Versa est in luctum cithara mea“ – „Meine Harfe hat sich in Trauer gekehrt“: So tönte es zu Beginn des Nachtkonzerts mit dem tenebrae consort aus der Tiefe der Schot- tenkirche. Die düstere Schönheit der Verto- nung Alonso Lobos löste sich dadurch im weichen Nachhall auf, rätselhaft entrückt. So wirkte die Direktheit und Reinheit der zehn Stimmen umso überwältigender, als sie für die Werke Tomás Luis de Victorias (Res- ponsorien und Lamentation zum Karsams- tag sowie das Requiem) nach vorne vor den Altar traten. Nigel Short ist das Kunststück gelungen, aus sechs Frauen und vier Männern einen Klangkörper zu formen, der die polyphonen Strukturen wie ein Organismus ausatmet. Die Übereinstimmung der Timbres wird be- sonders deutlich, wenn die sechs Frauen eine gregorianische Intonation im Unisono an- stimmen und der Chorklang sich aufzufä- chern beginnt. Wie durch ein Medium scheint diese zeitlose Musik hindurchzuflie- ßen. Das bedeutet bei Tenebrae kein ehr- fürchtiges Erstarren in stiller Größe. Ein- zelne Textpassagen des Requiems („dass die Hölle sie nicht verschlinge“) werden - immer im Rahmen des stilistisch Gebotenen - mit expressiver Kraft aufgeladen. Keine Frage: Diese 70 Minuten, in denen die Zeit still zu stehen schien, werden in die His- torie dieses bedeutendsten Regensburger Kulturfestivals eingehen. Mittelbayerische Zeitung 47 Dass Bach in seinem Kompositionsfundus Arien oder ganze Werke für andere Zwecke umarbeitete, ist bekannt. Dass er bei Bedarf auch Musik von geschätzten Zeitgenossen in sein Repertoire aufnahm und modifi- zierte, zeugt vom handfesten Pragmatismus des Meisters, der weit davon entfernt war, sich mit fremden Federn zu schmücken. Das Barockorchester La Folia und das Vo- kalensemble Polyharmonique präsentierten eine Auswahl dieses Repertoires, darunter Teile zweier Messen von Marco Giuseppe Peranda und Giovanni Pierluigi da Pales- trina (mit colla parte geführten Bläserstim- men) sowie der Kantate „Languet anima mea“ aus der Feder des Florentiners Fran- cesco Bartolomeo Conti. Tatjana Zimre sorgte als Solistin des Oboenkonzerts von Alessandro Marcello für einen glanzvollen Höhepunkt. Sänger und Instrumentalisten zeigten sich im Gesamtverbund oder solistisch als ver- sierte, klangkräftige Interpreten des außer- gewöhnlichen Programms, das aber über die Gesamtschau seine Längen entwickelte. Weniger wäre tatsächlich mehr gewesen. (mqv) Bach ganz pragmatisch Die Vokalisten von Ensemble Polyharmonique und das La Folia Barockorchester

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